Die Rad-WM 2024 hat Zürich und seine Bewohner vor grosse Herausforderungen gestellt. Während die Veranstaltung spektakuläre TV-Bilder lieferte und Zürich in goldenem Herbstlicht erstrahlen liess, litten das Gewerbe und die Anwohner unter den umfangreichen Einschränkungen. Es ist daher an der Zeit, Lehren aus diesem Grossanlass zu ziehen und sich darüber Gedanken zu machen, wie zukünftige Veranstaltungen besser geplant und durchgeführt werden können.
Grossanlässe in Zürich: Lehren aus der Rad-WM 2024
Information und Kommunikation
Ein zentrales Problem dieser Rad-WM war die unzureichende Information der Bevölkerung. Viele Anwohner wussten nicht, wann und wie sie ihren Wohnort erreichen – auch weil diese Informationen unzureichend kommuniziert wurden. Eine serviceorientierte Organisation sollte für solche Fälle eine leicht zu bedienende digitale Lösung finden und sicherstellen, dass die Informationen möglichst alle Betroffenen erreichen. Dies würde nicht nur die Akzeptanz erhöhen, sondern auch die Planungssicherheit für alle Beteiligten verbessern. Im Fall der Rad-WM waren die notwendigen Informationen leider nur schwer zu finden und mussten an verschieden Stellen zusammengesucht werden.
Veranstaltungsorte und Einschränkungen
Auch der Veranstaltungsort mitten in der Innenstadt an wichtigen Verkehrsknotenpunkten war ein grosses Problem. Dabei müssen Grossanlässe nicht zwingend im Stadtzentrum durchgeführt werden. So zeigte z.B. die Volksfeststimmung im Aussenquartier Schwamendingen während des Zeitfahrens der Männer, dass auch Aussenquartiere und Ortschaften ausserhalb der Stadt für Grossanlässe geeignet sind. Mit einer Verlegung einiger Events aus dem Stadtzentrum an die Ränder Zürichs würde der Druck auf die Innenstadt abnehmen und der Überdruss an öffentlichen Grossanlässen könnte in Freude umschwenken. Zudem könnten solche Veranstaltungen die Attraktivität dieser Gebiete nachhaltig stärken, wodurch Zürich insgesamt an Profil gewinnen würde.
Grossanlässe sind wichtig für Zürich – aber es kann nicht im Interesse der Stadt und seiner Bewohner sein, wenn die Grossanlässe von der Bevölkerung und dem lokalen Gewerbe nicht mitgetragen werden. Die Nutzung der Innenstadt durch die Rad-WM war zu extensiv. Die Strassensperrungen dauerten zu lange und waren oft nicht verhältnismässig. Zürich sollte bei zukünftigen Veranstaltungen deswegen darauf achten, dass die Einschränkungen für die Bevölkerung und das Gewerbe verhältnismässig bleiben. Eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile ist hierbei unerlässlich.
Einbezug des Gewerbes und der Bevölkerung
Am härtesten traf die Rad-WM das Gewerbe. Betriebe im unmittelbaren Dunstkreis der Rad-WM verzeichneten einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von 20 Prozent. Viele Betreiber kleiner Ladengeschäfte sahen sich deswegen gezwungen, ihren Betrieb während der Rad-WM vollständig einzustellen. Das grosse Geschäft, welches dem Gewerbe im Vorfeld der Rad-WM versprochen wurde, blieb dagegen aus – genau wie es Vertreter des Gewerbes befürchtet hatten. Der Stadtrat muss aus dieser Erkenntnis die nötigen Schlüsse ziehen und künftig bereits vor dem Start eines Bewerbungsprozesses die möglichen Direktbetroffenen an den Verhandlungstisch holen. Nur so können Lösungen gefunden werden, die sowohl den Anforderungen eines Grossevents als auch den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden. Ein frühzeitiger Dialog kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsam tragfähige Kompromisse zu erarbeiten.
Kompromissbereitschaft
Mit den Rad-WM und ihren unzähligen Einschränkungen während neun langer Tage ist das erträgliche Mass überschritten. Es ist daher wichtig, dass die Stadt bei der Planung zukünftiger Grossanlässe die Balance zwischen Attraktivität und Zumutbarkeit findet. Es gibt bessere Wege, Grossanlässe verträglich zu veranstalten, ohne dabei das Wohlwollen von Wirtschaft und Bevölkerung zu verspielen. Anlässe verschiedener Grössenordnung sollen für die Stadt unter dem Strich ein Gewinn sein. Auch ein nachhaltiger Tourismus setzt nicht auf ein Nullsummenspiel zulasten der Lokale, sondern auf bleibende Erlebnisse nahe an der Lebenswelt der Zürcherinnen und Zürcher. Nur eine nachhaltige Planung und Durchführung von Grossanlässen kann dazu beitragen, dass Zürich auch in Zukunft eine attraktive Destination bleibt.
Zürich hat das Potenzial, eine attraktive Stadt für Grossanlässe zu sein. Doch es ist wichtig, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Gewerbes berücksichtigt werden. Nur so kann Zürich auch während solcher Veranstaltungen eine lebenswerte und attraktive Stadt bleiben. Ein Dialog zur Zukunft der Grossveranstaltungen ist deshalb dringend angezeigt. Die Stadt sollte gemeinsam mit allen Beteiligten an Lösungen arbeiten, die sowohl die wirtschaftlichen Interessen als auch die Lebensqualität der Bewohner berücksichtigen.